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Schriften richtig kombinieren

Grundsätzlich gilt: Weniger ist mehr. Mehr als drei Schriftarten sollte man nur in speziellen Fällen benutzten. Sogar Zeitungen verwenden meist nicht mehr als vier verschiedene. Wer mit mehr als zwei Schriften jonglieren will, braucht typografisches Fingerspitzengefühl. Dieses Gefühl sollte idealerweise durch Kenntnis und Wissen über die Formgeschichte unterbaut sein. Oder man sollte zumindest eine Ahnung haben, auf was man achten soll – wofür dieser Artikel vielleicht sorgen kann:

Die Wahl der Grundschrift

Schon bei der Suche nach nur einer passenden Schrift, kann die Flut an Möglichkeiten überfordern. Vor der Wahl einer Grundschrift, aus der der Haupttext besteht, sollte man sich eine wichtige Frage stellen: Was will ich mit der Schrift ausdrücken? Noch besser: Was soll die Schrift ausdrücken?

Geschichten sehen

Schriften erzählen Geschichten. Das wird bei folgendem Beispiel klar: 

Wilder Westen

Welche Schrift bei diesem Beispiel für den Wilden Westen, welche für seriöse Sachlichkeit und welche für  „Ach, wie schön“ steht, ist offensichtlich. Beim Mischen verschiedener Schriften sollte man jede einzelne Schrift verstehen und genau hinsehen, was sie erzählt. Viele Schriften stehen für bestimmte Sachverhalte oder gesellschaftliche Werte, die leicht übersehen werden, wenn man den Kopf tief in der Materie hat. Also immer einen Schritt zurücktreten.

Gesichter erkennen

Schriften haben Gesichter. Welches Gesicht ein Text haben soll, hängt fast immer vom Inhalt und den anvisierten Lesern ab. Zu sachlichen Wissenschaftstexten mit vielen Diagrammen passen serifenlose, lineare Schriften. Diese funktionieren als Bildunterschriften, Überschriften und Kapitelangaben – mal groß, mal fett. Literaturtexte brauchen weniger Abwechslung. Die Leser sollen lange und entspannt hinsehen können. Dafür eignet sich eine klassische Serifenschrift.

To be or not to be

Kreativität und Didaktik

Wie findet man aber jetzt zwei zueinander passende Schriften? Bei der Wahl einer Schrift zählen nicht allein kreative oder ästhetische Argumente. Das didaktische Ziel ist das elementarste Kriterium bei der Auswahl einer Schrift. Genau das gleiche gilt für die Schriftmischung. Die gelungene erleichtert das Querlesen, Zusammengehörigkeiten werden schnell erfasst und Gliederungen auf einen Blick deutlich. Genau das Gegenteil erreichen ungeschickte Kombinationen.

Wir zeigen im Folgenden  Beispiele von Kombinationen, die nicht zur Nachahmung anregen sollen. Vielmehr sollen sie Anreiz geben, sich mit der sensiblen Frage der Schriftmischung zu beschäftigen. Übrigens: Die kleinen Fähnchen und Häkchen an Buchstaben heißen Serifen.

Gewichtsunterschiede

Alle in einer Gewichtsklasse ins Feld zu schicken ist kein guter Weg. Klare, deutliche Gewichtsunterschiede helfen dem Auge Bedeutungsunterschiede wahrzunehmen, ohne dass eine der beteiligten Schriften an visueller Autorität verliert. Das bedeutet, man soll einerseits auf die Strichstärken der Buchstaben achten, und andererseits auf das Schriftbild selbst. Manche Schriften wirken leicht, andere sehr schwer. Gewichtungen lenken den Blick sehr zielgerichtet:

Beispiel 3

Unterschiedliche Farben

Die Farbe einer Schrift meint nicht deren wirkliche Farbe auf dem Regenbogen, sondern deren Grauwert. Bei Schriftkombinationen empfiehlt es sich, die Augen zusammenzukneifen und einen Schritt zurück zu gehen. So erscheint der Text als graue Fläche, die heller oder dunkler sein kann. Bleiben die Hierarchien klar erkennbar, ist die Farbwahl gut. Verschwimmt alles zu einem Brei, sollten die Schriften unterschiedlicher sein.

Beispiel 4

Verschiedene Rollen zuweisen

Ein einfacher Weg um verschiedene Schriften zu kombinieren ist das Erstellen eines Schemas,

in dem klar zu erkennen ist, welche Rolle der Schrift zukommt.

  • Autor
  • Schlagzeile
  • Anreisser
  • Zwischenüberschrift
  • Textkörper

Beim Einsetzen der verschiedenen Schriften in das Schema erkennt man leichter, ob sie zu ihrer Rolle passen oder nicht – jede Schrift für sich und in Kombination mit den anderen.

Sans Serif mit einer Serif kombinieren

Das mit Abstand weit verbreitetste Prinzip beim Mischen ist, einem Text mit einer Serifen-Grundschrift eine serifenlose Grotesk-Überschrift zu geben. Das ist eine klassische Kombination, und es ist fast unmöglich, dabei etwas falsch zu machen.

Keine Stimmungen mischen

Schriften haben Persönlichkeit. Es gibt nüchterne, elegante oder lineare. Die Persönlichkeit einer einzelnen Schrift falsch zu verwenden, ist eine Sache. Schlimmer wird es, eine weitere, widersprüchliche auf sie los zu lassen. Bitte keinen Ärger verursachen. Das gilt auch für Klassifikationen: Schriften verwandter Form-Herkunft vertragen sich untereinander besser als mit fernen Verwandten. Es ist aber ebenso möglich, ausdrücklich kontrastierende Schriften gegensätzlicher Herkunft zu mischen.

Beispiel 5

Nicht nur Theorie

Wider allen theoretischen Überlegungen bleibt Schriftmischung immer eine Frage

  • 1 der Ressourcen: Was kostet es eigentlich, eine eigene Hausschrift entwickeln zu lassen? 
  • 2 der Mode: Wir leben doch nicht im Wilden Westen?
  • 3 des persönlichen Geschmacks: Trägst du lieber Schuhe aus England oder aus Italien?
  • 4 des ästhetischen Empfindens: Das ist doch total schön, oder?

Keep it simple.

Zwei Schriften reichen. Bei der Lesetypographie gilt: Eine Antiqua mit Serifen ist besser als Grundschrift geeignet, als eine serifenlose Grotesk.

Beispiel 6

Mut zum Extremen

Je größer der Unterschied der Schriftgrößen ist, desto unwichtiger werden die Stilfragen; bei ähnlichen Schriftgrößen sind sie besonders heikel. Verwendet man verschiedene Auszeichnungen (fett, kursiv, etc.) und unterschiedliche Schriftgrößen, ist man sehr gut aufgestellt. Einfach mal üben: Mit Mut die Größe der Schrift sehr deutlich ändern und sehen, wie es sich auswirkt.

Beispiel 7

Zur Erinnerung

Dieser Artikel ist nur eine Orientierung. Es sind keine Regeln. Die Vorschläge ersetzen nicht das geschulte Auge eines Typographen.

Und weil wir alle von Meistern lernen, zitieren wir einem klugen Satz von den Machern des Smashing Magazine: Creating great typeface combinations is an art, not a science. Wir fügen frei nach Willberg und Forssmann hinzu: Vielleicht stimmt das für Kombinationen. Aber eines ist sicher: Typographie ist Handwerk.

Viel Spaß in der Welt der Schriften.

Euer Axel Stirn